12.03.2023, 22:45 Uhr panzerpabst
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Hallo zusammen,
inspiriert von Gerhards wirklich anschaulichen, lesenswerten und interessanten Berichten von seiner Zeit bei der BW mit dem M48 (ein Panzer der mir optisch sehr gut gefällt), möchte ich mal meine Erfahrungen mit der BW schildern. Ich wollte seinen Thread dann doch nicht "kapern", obwohl er mir das gestattet hätte. Meine Erfahrungen sind weit unspektakulärer.
Einberufung:
Irgendwann im Frühling 1991 kam ein Einberufungsbescheid, der mich im Juli zum Gebirgsnachschubbatallion in Mittenwald vorsah. Das kam mir recht ungelegen.
Ich war zu dieser Zeit zwar seit ein paar Monaten arbeitslos, die Wohngebiets-Gaststätte, in der ich zu DDR-Zeiten eine Ausbildung zum Koch begonnen hatte und in Wendezeiten abgeschlossen hatte,
wurde 3 Monate nach meinem Abschluss geschlossen und ein Möbelkaufhaus daraus gemacht. Klar, die Leute wollten ihre D-Mark nicht für Steak au four mit mikrowllenerhitzen Erbsen oder Soljanka ausgeben sondern sich was leisten.
Mein letztes Gehalt bekam ich in D-Mark in bar - schöne klebrige Scheine von der Disko am Vorabend. Am nächsten Tag war ich auf den Weg nach Berlin um mir davon einen C64 zu kaufen. Dann habe ich ich mit ein paar Kumpels angefangen, in einer Band zu spielen.
Einberufungsbefehle kamen da recht ungelegen. Mental ungefestigt, mit langen Haaren und der Einstellung, Wehrdienst nach der Wende? - ist doch alles nicht ernst, habe ich die Zeit verstreichen lassen.
Ein paar Tage vor dem Termin, sich in der Kaserne zu melden, dachte ich aber schon darüber nach, sich mal darum zu kümmern. Mit meiner Naivität bin ich entschlossen zum Kreiswehrersatzamt gefahren um den Genossen mitzuteilen, dass ich nicht gewillt bin, den Dienst anzutreten.
Mir wurde mit ausgesprochener Gelassenheit vermittelt, dass ich für solche Mätzchen zu spät dran bin und ich mich zum Termin in der Kaserne einzufinden habe. Die nächsten Sätze habe ich nur noch "gedämpft" gehört. Es kamen darin Worte wie "Feldjäger" vor und "Antrag auf Kriegsdientsverweigerung dann in der Kaserne".
Mit der Gewissheit, große Sch... gebaut zuhaben, einem Kloß im Hals und Tränen in den Augen fuhr ich nach Hause.
Zu dieser Zeit waren wir im Osten noch total geprägt von den Erfahrungen mit der NVA. Zu Schulzeiten und auch wärend der Berufsschule gab es eine paramilitärische Ausbildung. Diese sah spezielle Unterrichtsstunden vor, wo auch mal ein höherer Rang die Bedeutung und Herrlichkeit der NVA anpries. Das konnte man einfach ertragen.
Schwerer waren da schon die Ausbildungslager, in welche die Jungen der Klassen hin mussten (die Mädchen bekamen derweilen Sani-Ausbildung in der Schule). Es gab Uniformen, Drill, Märsche mit Schutzausrüstung (Gasmaske), Nachtwachen, NVA-Unteroffiziere, die sich an uns ausprobiert hatten... Dreckschw... Wir hatten dabei auch die Gelegenheit, mit der Kleinkalibervariante der AK47 zu schießen. Das hat mal Spass gemacht und hier war mir auch jede penible Anweisung klar und nachvollziehbar - es war ja trotzdem eine automatische Waffe.. ( "kurze gezielte Feuerstöße" ...)
Zu den Erfahrungen in diesen GST-Lagern kamen die wagen und vorsichtigen Berichte von Familienangehörigen, die ihren Dienst geleistet hatten. Ein Schwager hat mir Jahre danach berichtet, dass er als Grenzer bei einem Gewaltmarsch seinen Kameraden, welcher nicht mehr konnte, auf seinen Schultern mitgeschleppt hat, sie wurden trotzdem beide angetrieben wie die Tiere, mein Schwager hat da unwissend bereits einen Toten geschleppt...
Vor diesem Hintergrund der Erfahrungen Aller (den letzten Punkt mal ausgenommen, habe ja erst später davon erfahren), musste ich meiner Mutter beibringen, dass ich in ein paar Tagen zur Armee muss. Ich bin ihr einziger Sohn und die Reaktion war ... als müsste ich in den Krieg. Das hatte ich echt verbockt.
Es ließ sich also nicht ändern, am Sonntag darauf musste ich mich 22:00 Uhr in der Kaserne einfinden. Ich musste mich also auch um "logistische" Dinge kümmern. Der Band musste ich mitteilen, mit Proben wird erst mal nichts (die Spezialisten dort wussten natürlich alles besser und meinten, ich müsste gar nicht erst los - top - sehr hilfreich) und irgendwie hatte ich den Eindruck, meine Haare wären zu lang für den Dienst. Da ich trotzdem entschlossen war, den Dienst nicht unnötig auszudehnen, wollte ich mich von den Haaren nicht trennen.
Mit viel Gel habe ich es geschafft, dem Gewirr Herr zu werden. Das hat offenbar so gut geklappt, dass meine damalige Freundin sich gewundert hat, wen mein Kumpel da zum Bahnhof gefahren hat.
Nach vielen Stunden Zugfahrt von Leipzig nach München und dann nach Mittenwald bin ich dann in der Kaserne angekommen. Für die Landschaft hatte ich kein Auge, ich musste alle meine Aufmerksamkeit auf die Ohren lenken: ich war mit 4 Bayern und einem weiteren Ostdeutschen in einer Stube gelandet. Der andere Ostdeutsche kam aus dem Voigtland - man hätte mich auch nach Timbuktu schicken können - ich habe kein Wort verstanden.
Wie der Titel sagt, nur ein Monat, ein paar Dinge sind da aber vielleicht berichtenswert - das würde ich bei Interesse noch fortsetzen.
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Grüße aus Leipzig
Matthias
www.boorad.de
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Beitrag 4 mal editiert. Zuletzt editiert von panzerpabst am 13.03.2023 14:32.
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