12.07.2007, 19:30 Uhr Mortimer
|
Hallo Freunde des Kettensports,
Viele hier werden es kennen, man grübelt und plant gedanklich am neuen Wunsch-Modell alles durch….
…nur der wichtigste Teil eines Kettenfahrzeugs - nämlich der erste Teil des Wortes – bereitet einem Kopfzerbrechen.
Was kann man tun, wenn es die gewünschte Kette nicht im Handel gibt?
Vielleicht eine vorhandene Kette abändern, dass sie eventuell grob passt… oder sie von einer Firma teuer gießen lassen… oder selber gießen… Selber gießen?
Ach selber gießen, das ist viel zu kompliziert und zu teuer und zu schwierig und...
Ist es nicht! Im Folgenden möchte ich einen kleinen Einblick geben, wie man auch mit einfachen Mitteln eine sehr robuste Zink-Metallkette selber herstellen kann.
Aber der Reihe nach.
Mein neues Wunschmodell ist ein Famo in 1/16, also musste als allerallererstes die Basis, der Grundstock, das Fundament her – die Kette, erst dann wird das Modell gebaut.
Folgendes wird benötigt:
- Eine Lötlampe (Bunsenbrenner/Lötbrenner…)
- Eine Keksdose
- Eine Bohrmaschine
- Eine Suppenkelle
- Silikon und Gießharz
- Zink (Kein Zinn!)
-„Bastelkram“ (Kinderknete, Aluplatten, Dremel, Schrauben…)
1. Schritt: Urmodell erstellen
Was will ich denn eigentlich gießen?
Als erstes braucht man also eine Vorlage eines Kettenglieds (bei mir von einem 1/35 Tamiya-Bausatz, falls möglich, kann man sich die Maße natürlich auch direkt von einem Original holen).
Dann misst man alles nach, rechnet es in den gewünschten Maßstab um (von 1/35 nach 1/16 z.B. einfach alles immer mit 2,1875 multiplizieren) und bastelt sich so ein Ur-Kettenglied zusammen (bei mir besteht es aus Alu, Polystyrol und Messing).
Das Urmodell sollte man ruhig ein wenig größer machen (etwa 3%), da das finale Gussteil beim Erkalten etwas schrumpft (Dank an Herbert für den Hinweis).
2. Schritt: Urmodell abformen und vervielfältigen
Ich möchte ja gerne die Kettenglieder in Metall gießen, und da ich natürlich nicht so oft gießen möchte (Motor aller Innovationen ist die Faulheit), kopiere ich einfach mein Urmodell zwölfmal (mehr Zink passt nicht in meine Suppengießkelle), so muss ich später für einen kompletten Kettensatz nur achtmal gießen.
Dazu stelle ich vom Urmodell eine Silikonform her (hier ist z.B. eine gute Anleitung) und gieße sie mit Resin aus (z.B. von http://www.weissmetall.de , wird in 10-20 Minuten hart).
An die Kunsstoffgießlinge habe ich kleine Messingrohre geklebt und dann etwas Schlauch drübergezogen, diese Kabelenden sollen später die Einfüllkanäle für das Metall werden.
Warum das Kabel nicht direkt ankleben?
Durch die Verschmälerung bei der Messingrohr-Methode hat man nachher im Metall eine schöne Sollbruchstelle und kann die Kettenglieder einfach mit der Hand abbrechen.
3. Schritt: Form für den Metallguss erstellen
Die 12 Resin-Kettenglieder samt Kabelenden müssen nun ihrerseits auch wieder in Silikon abgeformt werden. Benötigt wird dazu ein spezielles Silikon, das die hohe Hitze des flüssigen Metalls (ca 460 Grad) aushält. Ich verwende das WM 900 von Weissmetall.
Ebenfalls benötigt wird ein runder Behälter, da wir eine Zentrifuge bauen wollen.
Eine Zentrifuge?
Ja!
Ein kleiner Einschub: Beim normalen Hobby-Gießen (das Metall fließt einfach durch die Schwerkraft in die Form) treten viele Probleme auf:
- Das Metall fließt nicht richtig in die Form, bleibt im Gussast stecken (Zink fließt sowieso sehr schlecht)
- riesige Einfüllschächte für rel. wenige Gusstücke werden benötigt
- Man muss evtl. viele Entlüftungskanäle bohren oder schnitzen
- Ist das Metall zu heiß, verbrennt die Form, ist es zu kalt, werden kaum Details abgebildet
- „wellige“ Oberfläche der Gussteile
Die Lösung für diese ganzen Probleme Gießen mit einem höheren Druck - erzeugt durch die Fliehkraft einer Zentrifuge.
Diese Zentrifuge bastelt man sich aus einer solchen Keks-Blechdose (z.B. vom Lidl):
Vorteil der Dose: Sie ist schön rund.
Nachteil der Dose: Bei häufigem Gießen (und Keksgenießen) wird man es auch.
Hier eine Skizze, wie ich die Dose gießerfreundlich machen wollte:
Zunächst isst man die Kekse auf. Dann braucht man eine feste Bodenplatte, da das Blech der Dose sehr dünn ist. Ich verwende dazu einfach eine 3mm Aluplatte. Dann sind Schrauben nötig, die nachher Boden- und Deckelplatte wie einen Schraubstock zusammenziehen. Das Silikon in der Mitte neigt nämlich bei Hitzeeinwirkung dazu, sich zu verformen.
Ebenfalls benötigt man eine zentrale Schraube, die nach unten zeigt, hier wird die Dose nachher an einem Motor befestigt. Bei dieser Schraube penibel darauf achten, dass sie genau mittig ist, da sonst nachher die Dose eiert.
Hat man also die Bodenplatte nebst ein paar Schrauben befestigt, bedeckt man den Boden mit Kinderknete und presst dann die Kettenglieder samt Kabelenden halb rein.
Danach sollte man versuchen, die Knete so an den Kanten des Kettenglieds zu verteilen, dass die Gussnaht (die Naht, an der die beiden Silikonhälften sich berühren) nachher nicht so auffällig ist bzw. sich leicht entfernen lässt. Etwas doof erklärt, notfalls nachfragen.
In die Mitte, auf die offenen Ende der Kabeläste, macht man noch eine flache Halbkugel aus der Knete. Die Silikonform, die auf diesem Knetgebilde entsteht, ist nachher der Boden, also muss in der Mitte eine kleine Aushöhlung sein.
Der komplizierten Dinge nicht genug:
Das Silikon WM 900 ist so zäh, dagegen sind die Steaks meiner Freundin… lassen wir das lieber. Es ist also recht zäh, was natürlich gut ist (hohe Einreißfestigkeit, extreme Hinterschneidungen möglich) aber auch schlecht, es lässt sich kaum bis gar nicht durch Bohren, Fräsen usw. nachträglich bearbeiten.
Folglich müssen evtl. Entlüftungskanäle vorher miteingegossen werden.
Dazu kann man z.B. dünnen Federstahldraht (0,5 mm) verwenden.
Eine Skizze:
Die Luft kann durch den entstehenden Kanal entweichen, das Zink kann nicht durch.
Um herauszufinden wo man (und ob überhaupt) solche Kanäle benötigt werden, muss man gedanklich den Fluss des Metalls in die Gussform durchspielen. Da wo Luft eingeschlossen werden könnte, braucht sie halt einen Ausgang, sonst hat man nachher eine Beule im Gussstück.
Ist man nun mit der Positivform zufrieden, gießt man das hitzebeständige Silikon in die Dose. Ich habe die Hälfte der Dose genommen, also 250 Gramm / 220 ml.
Am nächsten Tag nimmt man dann die nun feste Silikonform raus. Dabei darauf achten, dass Kettenglieder und „Kabel-Gussäste“ im Silikon verbleiben (ansonsten merken, wo welches Glied dringesteckt hat [Freunde des Zweideutigen – Haltet still]).
Die Silikonform dann umdrehen, und wieder (nun verkehrtrum) in die leere Dose legen.
Dann gucken, ob alles Abzugießende im Silikon steckt.
Wichtig: Es muss nun ein nach oben hin schmaler werdender Turm aus Knete in der Mitte geformt werden (siehe Skizze oben). Nachher wird ja die Form schnell gedreht und man gießt oben heißes Zink rein. Würde man die Seitenwände gerade machen, würde das heiße Metall auch oben aus der Form laufen – was bei der schnellen Schleuderei sicher alles andere als harmlos wäre.
Dann den Rest vom WM 900-Silikon in die Dose gießen.
Wieder einen Tag warten – Fertig sind die beiden Formen.
Nach dem Entfernen der Innereien, also der Plastikglieder, Kabel, Draht und Knete stellt man sich nun noch einen Deckel aus Alublech her, der ein Einfüllloch in der Mitte und Löcher für die Schrauben besitzt. Die Schrauben nur handfest anziehen.
In den ursprünglichen Deckel der Keksdose sollte man auch ein großes Loch schneiden, dieser nach innen zeigende Rand ist ein (von mir dringend empfohlener) Schutz, falls man beim Gießen mal was daneben schüttet.
Die ganze Dose muss nun noch zum Rotieren gebracht werden. Ich verwende eine Bohrmaschine, in die die zentrale Schraube der Dose eingespannt wird. Vorteil der Bohrmaschine ist auch, dass man hier rel. leicht die Geschwindigkeit verstellen kann.
4. Schritt: Das Gießen
Grob ein bisschen Zink abschätzen und es in der Suppenkelle mit einem Lötbrenner zum schmelzen bringen.
Die richtige Gießtemperatur: Das WM 900 ist ziemlich empfindlich, wenn das Zink heißer als 480 Grad wird. Ich habe mal den Tipp gehört, nachdem alles in der Kelle geschmolzen ist, noch 10 Sekunden zu warten und dann zu gießen. Das ist m.E. noch zu heiß. Ich mache es genau umgekehrt.
Sobald fast alles geschmolzen ist, schalte ich den Brenner ab. Der Rest schmilzt in der Suppe auch so. Dann warte ich 40 – 60 Sekunden. Dabei schwenke ich leicht das Metall in der Kelle, sobald die Oberfläche beginnt dicker und träger zu werden (schwer zu beschreibende Erfahrungswerte), schalte ich die Keksdosenzentrifuge ein und gieße das Zink langsam in das mittlere Loch.
Dabei gilt: Lieber zehnmal zu kalt als einmal zu heiß gießen!
Dann die Bohrmaschine noch 30 Sekunden laufen lassen, und man kann das nun erstarrte Metall herausformen. Also Deckel abschrauben und obere Silikonhälfte abnehmen. Beim Lösen des Metalls Zangen verwenden, da es noch sehr heiß ist.
Mit einem Topflappen kann man nun einfach die Kettenglieder abbrechen, durch die Sollbruchstellen geht das sehr gut.
Ich habe bis jetzt ca. 25 mal gegossen und somit Ketten für zwei Famos zusammen, die Form ist immer noch gut, ich kann keinen Unterschied zwischen ersten und letzten Gießlingen erkennen.
5. Schritt: Entgraten/Versäubern/Zusammenbau
Dann noch die Glieder entgraten, Kettenbolzen aus Federstahldraht zurechtschneiden (oder einfach passende Nägel benutzen), Löcher in die Glieder bohren und alles Zusammenstecken.
Die äußeren Löcher habe ich etwas enger gelassen, so halten die Kettenbolzen sehr gut, und die Kette ist trotzdem sehr schön leichtgängig.
Flugs noch mit der Ebalta-Gießmasse ein paar Gummipolster erstellt…
…und man hat eine schwere, sehr robuste Metallkette.
Fehlt nur noch der Famo *grummel*
Fazit: Mit ein wenig Spaß am Modellbau und etwas Geduld kann man auch für kleines Geld eine schöne Metallkette selber herstellen. Das teuerste am Ganzen ist das Silikon (50 Euro), Dadurch, dass ich schon zwei Kettensätze (+ zig Ersatzkettenglieder) gegossen habe reduziert sich bei mir der Gesamtpreis (Zink, Gas, usw) pro Kettensatz auf etwa 35 Euro.
Noch ein wenig Sicherheits-Gefasel:
Liebe Kinder. Wenn es sich einrichten lässt, führt das Gießen bitte nicht in einer Schwarzpulver-Fabrik durch. Desweiteren empfehle ich Schutzbrille/-Kleidung. Sollte Euer Haus abbrennen, wird es natürlich von der Keksdosenfirma ersetzt (einfach Beschwerde hinschreiben).
Heißes, flüssiges Metall ist schon fies, und heißes, flüssiges Metall in einer Zentrifuge hat gute Chancen von der UNO als Fernkampfwaffe mit Streuwirkung geächtet zu werden.
Ich musste aber feststellen, dass ein paar Brandblasen doch pädagogisch wertvoller sind als jede Warnung.
Ich empfehle auch, ab und zu aus den Gussästen kleine Geschenke für die Dame seines Herzens zu erstellen.
Sie wird es furchtbar finden. Aber doch ist es - genau wie die Kette - mit Liebe gemacht.
Ich hoffe, der ein oder andere kann was mit den Tipps anfangen, würde mich über Ergänzungen, Verbesserungen, eigene Gießerfahrungen, Kritik und Kommentare freuen.
Gruß
Martin
|
|
|
|
|