24.02.2023, 23:23 Uhr Oldchap
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So, und nach einigem Zögern möchte ich mich nun doch aufraffen und die Geschichte mit den 2 vergessenen Granaten berichten. Wie mir erzählt wurde, ist der Vorgang vom heutigen Standpunkt aus so abwegig, dass ihn vllt. nicht jeder für bare Münze nehmen wird. Ich versuchs trotzdem.
Wir hatten bekanntlich Munition im Überfluß. Das galt sowohl für Übungspatronen für G3 und MG1 (bis zu 4.000 Schuß pro Panzerbesatzung und Tag; völlig unmöglich, das zu verschießen) als auch für scharfe Munition; selbst für die doch nicht billigen Granaten. Wenn ich mich noch richtig erinnere, gab es für die Dinger eine Art Haltbarkeitsdatum; sie mussten innerhalb von 15 Jahren verschossen werden. Kann sein, dass der Überschuss daraus resultierte.
Der Einsatztag begann frühmorgens mit der Fahrt zum TrÜbPl; immerhin mehr als 40 km auf der Bundesstraße. Die Turmbesatzungen verdösten diese Fahrten meistens. Dort angekommen stellten wir die Fahrzeuge zugweise ab. Ein Zug (5 Panzer) besetzte jeweils die Schießhalte; für den Rest war dort kein Platz.
Die Granatmunition wurde uns per LKW direkt vom Mun.-Lager an den Schießplatz gebracht. Jede Granate steckte in einer Papphülse, und jeweils 2 dieser Hülsen lagerten in einer Holzkiste, die für 2 Mann noch halbwegs hantierbar war. Wenn aber der Bedarf einer ganzen Kompanie zu bewältigen war, hingen uns irgendwann doch die Arme herab. Die Handgriffe wurden immer "mechanischer"; der Kopf beschäftigte sich mit anderen Dingen als immer nur Kiste abladen, Kiste öffnen, Papphülsen rausheben, Papphülsen öffnen, Granaten aus den Hülsen rutschen lassen und zum Panzer tragen, Papphülsen auf einen Haufen werfen, Kisten auf einen 2. Haufen werfen.
Irgendwann war diese ermüdende Arbeit getan und das Schießen begann. Wir Fahrer hatten jetzt "frei" bis auf das gelegentliche Umgruppieren der Panzer, wenn ein Zug mit dem Schießen fertig war. Es war für uns ansonsten ein Gammeltag. Wir waren müde von der Fahrt und der Auslade-Arbeit, aber an Schlaf war bei dem Schießlärm natürlich nicht zu denken. Wir trugen auch vorsichtshalber die Kopfhörer der Ei-V, um den Krach in den Ohren abzumildern.
Am Abend war das Schießen vorbei, und wir freuten uns aufs Heimkommen. Aber nix da: erst mussten noch die Zielscheiben aufgeräumt werden, und es mussten auch die Munitionsbehälter wieder auf den LKW verladen werden. Natürlich wurde zuvor die Range bei den Amerikanern "abgemeldet", damit der Bereich der Zielscheiben überhaupt betreten werden durfte. Das Verpacken der Papphülsen in die Kisten und deren Aufladen auf den LKW war zwar körperlich leichter, aber irgendwie noch öder als das Ausladen.
Das änderte sich schlagartig, als mitten im Kistenhaufen eine Kiste besonders schwer war! Schnell war klar, dass da noch 2 Granaten drinsteckten. Jetzt war guter Rat teuer. Der Fahrer des LKW schloss kategorisch aus, dass er diese volle Kiste mitnehmen würde, denn er fuhr nicht zum Mun.-Lager zurück, sondern zur Sammelstelle fürs Transportmaterial. Verschießen ging auch nicht mehr, denn die Schießbahn war ja schon abgemeldet. Der Tag wurde immer länger und wir waren echt müde und hatten noch die Heimfahrt vor uns. Das galt besonders für die Fahrer, denn die Turmbesatzung döste ja doch wieder während der Fahrt. Irgendwann einigten wir uns darauf, die Granaten mit in die Kaserne zu nehmen; wohl wissend, dass das unser Problem nicht lösen, sondern nur zeitlich hinausschieben würde. In der Kaserne angekommen wurde das Problem gemeldet (unsere oberen Chefs waren ja daheim geblieben) und erzeugte allgemeine Ratlosigkeit. Unsere Absicht war, die Granaten einfach in den Mun.-Behältern eines Panzers zu lassen, wo wir sie zur Fahrt gelagert hatten (Kiste und Papphülsen hatte der LKW mitgenommen, damit seine Bilanz stimmte). Das wurde untersagt, weil die Panzer nicht abschließbar waren. Die nächste Idee betraf die Waffenkammer, nur war dort die Lagerung jeder Art von Munition strikt untersagt, und der WuG ließ da auch absolut nicht mit sich reden. Es wurde immer später, und wir waren todmüde. Die meisten Kameraden waren auch längst auf der Stube. In einem Wutanfall bot ich in der verbliebenen kleinen Gesprächsgruppe an, die Dinger dann eben in meinen Spind zu stellen bis zum nächsten Schießen. Eigentlich war das als grimmiger Scherz gedacht, aber es passierte Verblüffendes. Erst wurde es totenstill, dann guckten sich Spieß und Zugführer in die Augen (der Kp.-Chef war nicht da), und dann bekam ich den Auftrag, die 2 Granaten tatsächlich nach "Licht aus" in meinen Spind zu schleppen! Eventuellen Fragern würde man antworten, die Granaten seien nachts noch abgeholt worden.
Die "Geheimaktion Mun.-Spind" klappte tatsächlich, und sie hatte für mich einen -zunächst ungeahnten- positiven Nebeneffekt! Es gab nämlich jede Woche durch den jeweiligen UvD einen Spindappell, bei dem u.a. die ggf. nötige Kasernen- und Mun.-Lagerwache rekrutiert wurde. Sprich, wer auffiel, hatte automatisch Wachdienst oder zumindest keine Wochenend-Heimfahrt. Also war jeder von uns darauf bedacht, eben nicht aufzufallen, und der Spind war dabei -neben Haarschnitt etc.- ein wichtiges Kriterium. Der Appell wurde zu unregelmäßigen Zeiten durchgeführt und begann immer mit dem Kommando "Spind auf!", doch diesmal mit dem Zusatz "der hier bleibt zu!", was meinen Spind betraf. Ich heuchelte Überraschung, denn meine Stubenkameraden guckten mich natürlich verblüfft an. Irgendwann wurde das Thema als "unklärbar" vertagt; aber mir war klar, daß ich für die nächsten Appelle eine Ausrede brauchte. Als mein Spind auch beim nächsten Appell "zu" blieb, wurde ich natürlich mit Fragen bestürmt und berichtete einigermaßen verschwörerisch, ich sei per ausdrücklichem Befehl zum Schweigen vergattert. Na ja, so weit lag das gar nicht von der Wahrheit entfernt, und die Kameraden fanden sich damit ab. Im Stillen war ich natürlich begeistert, denn spindbedingte Sonderdienste waren für mich ab sofort gestrichen. So vergingen 2 Monate.
Danach fiel es mir schwer, in der Nacht vor dem nächsten Schießen die Granaten heimlich wieder in den Panzer zu schleppen, denn damit war die spindappellfreie Zeit für mich natürlich beendet. Leider ging es nicht, die Granaten wieder in ihren Halterungen im Turm zu verwahren, denn da wären sie unweigerlich von der Turmbesatzung entdeckt worden. Der M 48 hatte aber auf den Kettenabdeckungen große Werkzeugkästen, die bei uns relativ leer blieben, weil das meiste Werkzeug aus Diebstahlgründen (!) im Kasernenkeller blieb. Dort konnte ich sie unentdeckt zum Schießplatz mitnehmen. Auch das Umladen in den Turm fiel nicht auf, denn die Turmbesatzungen wurden vor dem Schießen zusammengerufen und nochmals sicherheits-vergattert, die Fahrer belagerten derweil die Kantine und der eingeweihte Zugführer half mir auch noch schnell bei meiner Arbeit. Beim Aufmunitionieren des Turms meldete ich mich freiwillig für den weniger beliebten Platz im Turm, wo man die Granaten von oben entgegennehmen und in ihre Behälter stecken musste. So fiel es nicht auf, dass 2 Behälter schon gefüllt waren. Ganz voll schlichteten wir die Türme sowieso nie, und jeder Panzer schoß eigenständig bis auf ganz wenige Ausnahmen (z.B. den sog. Feuer-Überfall). Ich glaube, meine Besatzung hat nicht mal gemerkt, dass sie 2 Granaten mehr hatte als die anderen, sondern eben wie immer das verschossen, was da war.
Was wäre wohl los, wenn HEUTE so etwas vorkäme und bekannt würde? Ich kann mir das nicht vorstellen bei dem Bohei, der heute um Munition gemacht wird....... -- Viele Grüße
Gerhard
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Bigtanks-Köti 1:6, Hermann-Porsche-Köti 1:6, Bigtanks-Jati 1:6, Armortek-Japa 1:6, Spearhead Pz. IV 1:6
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